Mittwoch, 9. Dezember 2009

Epoche VI

Mich faszinieren Hobbyisten und Steckenpferdreiter, wenn sie sich vollständig abgeschlossene Welten schaffen. Etwa die Modelleisenbahner, denen es um eine Verdopplung der Welt in der Miniatur geht, was die Eisenbahnaspekte unserer Welt betrifft. Zufällig habe ich erfahren, daß vor zwei Jahren für den Modelleisenbahner ein neues Zeitalter angefangen hat. Wir haben jetzt Epoche VI.

Die Einteilung in Epochen dient dazu, beim Nachbau der Welt keine Asynchronitäten zu produzieren. Man stellt also eine Dampflok von 1930 auf ein Gleis von 1930 in einen Bahnhof von 1930. Der Modelleisenbahner hat dafür das schöne Wort „epochenrein“. Die Epoche IV beispielsweise umfaßt die Zeit von 1968 bis 1990. Na klar, denkt man sich: von der Studentenrevolte bis zur Wiedervereinigung. Der Modelleisenbahnfreund sieht das etwas anders: UIC-Nummern, IC statt TEE, blau/beige Lackierung (IVa), zweiklassige ICs und Abstellen der Vorkriegs-E-Loks (IVb), die ersten orientroten Triebwagen und Abstellung der Baureihe BR194 (IVc). Ja, es hängt immer daran, von wo man guckt.

br103eisenbahn
Aufwendige Modelleisenbahnanlage mit drei TR103
aus der Epoche IV
(Quelle: Wikipedia)


Dabei geht diese Epochenbildung keinesfalls diskussionslos vor sich: im Internet streitet man über den richtigen Anfang und das richtige Ende der Zeitalter, und der kritische Modelleisenbahner fragt, ob das denn überhaupt sein muß, schon wieder eine neue Epoche, wenn die Epoche V gerade mal 17 Jahre Bestand hatte. Andererseits hat die Beschleunigung der Welt auch die deutsche Bahn erfaßt und hat sie mittlerweile in eine Aktiengesellschaft, in einen „modernen Dienstleistungskonzern“ und in einen „Anbieter ganzheitlicher Mobilitäts- und Logistiklösungen“ verwandelt (Selbstbeschreibungen). Für den passionierten Modelleisenbahner muß das so gruselig klingen, als würde sich die englische Königin als Anbieter von Common Identity Solutions andienen. Und es interessiert sich ja auch niemand Junges mehr für Modelleisenbahnen, so daß gar Märklin in diesem Jahr Konkurs anmelden mußte (für die Epoche VI-Generation: Märklin war eine Art Google der Epoche IV).

Aber was hilft es: das alte Zeug muß ja weg, sonst hat man nichts Neues zum Hinterherjammern. Das ist überhaupt das Paradoxe an jeder Nostalgie: sie erschafft sich dadurch, daß ihre Objekte verschwinden.

Dienstag, 8. Dezember 2009

In allen guten Stunden

Früher einmal, da konnte man das Fernsehen zwischen den Fernsehsendungen sehen. Dort in den Pausen, zwischen den Sendungen und Übertragungen, da war das Fernsehen bei sich, ohne daß eigentlich etwas passierte. Es gab einen neutralen Ruhezustand eines Fernsehsenders, ähnlich wie wie eine leere Theaterbühne. Oder eine neue Leinwand, ein weißes Papier. Es bedurfte eines besonderen Anstoßes, nämlich des Fernsehprogramms, damit diese leere elektrische Bühne sich mit Filmen, Serien, Shows und Zeichentrick füllen konnte. Den leeren Grundzustand, den wiederum konnte man in diesen Leerzeiten und Pausen sehen. In Testbildern, Umschaltpausen, beim Sendeschluss und den Fernsehansagerinnen.

Testbilder
Sie erinnern an die technischen Grundlagen des Fernsehens: ein Gitter, ein Kreis, Farbflächen, Farbverläufe, Text. Interessanterweise waren Testbilder immer statisch und bewegten sich nicht. Tatsächlich habe ich mir immer dazu vorgestellt, wie der Lehrling für Radio- und Fernsehtechnik der Radio- und Fernsehtechnik rittlings auf dem Dachfirst sitzt, die Antenne dreht und der Meister ruft Weiter Weiter Stop,bis das Testbild ausreichend klar, ausreichend gerade und ausreichend farbig eingestellt war. Bei der ARD gab es übrigens Radio, beim ZDF einen schrillen Testton dazu. Ein Windows-Startbildschirm ist ein entfernter Neffe des Testbilds.

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Leeres Leerbild

Umschaltpausen
Das gab es insbesondere bei der ARD, weil dort viel umgeschaltet werden mußte. Es gab ein Senderlogo zu sehen, und man stellte sich jetzt vor, wie im Hintergrund große Schalter umgelegt wurden und dazu gerufen wurde: Hallo hier ist der NDR, ist da der WDR in Köln? Bestätigen sie bitte, WDR, bitte bestätigen. Auch hier hatten die Sender etwas Seltsames dazuerfunden, nämlich kurze Tonfolgen, die bei jedem Sender verschieden waren. Ich habe keine andere Erklärung, als daß damit eine tödliche, bisweilen minutenlange Stille verhindert werden sollte. Die Geburt des Klingeltons, sozusagen. Hier eine wunderbare Liste. Beim WDR war die Tonfolge aus Beethovens op. 122 In allen guten Stunden abgeleitet: das Lied, die Tonfolge.

Sendeschluß
Zum Sendeschluß wurde auf Tafeln oder einem Laufband das Programm des nächsten Tages gezeigt. Zwischen Verabschiedung der Spätnachrichten und Testbild lag also noch eine kurze Frist, einige Minuten, in denen der Asbach Uralt in den Wohnzimmerschrank zurückgestellt wurde, die halbvolle Erdnussflipstüte eingedreht wurde und die Hörzu in die Sofaseitentasche gesteckt. Das Bild sah so aus, als hätte man das Fernsehprogramm mit der Schreibmaschine auf ein Stück Tapete geschrieben und anschließend abgefilmt. Als Musik wurde eine Art Nichtmusik dazugeliefert, die man heute manchmal noch beim Deutschlandfunk hört, wenn ein Interviewpartner hinzugeschaltet wird, instrumentaler Jazz ohne Jazzanteil, Nichtjazz, Erdnussflipskrümelmusik. Hier ein Beispiel.

Fernsehansagerin
Die gibt es praktisch nicht mehr. Interessant an der Fernsehansagerin bzw. auch dem Fernsehansager war, daß sich mit ihnen der Sender unmittelbar an den Zuschauer wandte. Das macht auch kein Nachrichtensprecher, denn er vertritt bestenfalls die Tagesschau und das Heute-Journal, nicht aber die ARD oder das ZDF. Die einzigen unmittelbaren Repräsentanten des Senders, ohne eigene Sendung, das waren die Fernsehansagerinnen. Der Hintergrund, vor denen sie saßen, genau das war für mich immer der Bayerische Rundfunk oder das Zweite Deutsche Fernsehen, Radio Bremen oder der Saarländische Rundfunk, den es äußerst selten gab. Es gab übrigens zwei Arten von Fernsehansagen: die kurze Zwischenansage, die sich auf eine einzige Sendung bezog, und die lange Ansage, mit der ein ganzer Fernsehabend eingeleitet wurde:

„Guten Abend, liebe Zuschauer. Willkommen zum Abendprogramm im Ersten.“

Interessant, daß es damals noch keine Zuschauerinnen-und-Zuschauer gegeben hat. Dann wurde tatsächlich das ganze Abendprogramm conferenciert – unfaßbar für heutige Ungeduldsspannen. Ich stelle mir vor, wie Heidrun von Goessel, Hanni Vanhaiden, Victoria Voncampe und Mady Riehl heute ihren Enkelinnen erklären, was sie damals eigentlich gemacht haben. Hier ein Beispiel.

Heute sind solche Pausen, Zwischenräume und sichtbare Fugen praktisch unvorstellbar. Im Audience Flow wäre es tödlich, ein solches Zwischenreich des unmittelbaren Kontakts zwischen Content-Provider und Konsument zuzulassen. In jeder Umschaltpause würde umgeschaltet, aber nicht vom NDR zum SR, sondern ab zu Pro 7. Vielleicht ist es weniger die höhere Geschwindigkeit, die unser Zeitalter auszeichnet, sondern die Pausenlosigkeit. Playlist statt Platte umdrehen, audience flow statt Fernsehansagerin. Unsichtbar bleibt allerdings jetzt auch der Fernsehsender. Er versteckt sich hinter seinen Sendungen, 24 Stunden lang, pausenlos.

Freitag, 2. Oktober 2009

Die Verwandtschaft der Gegenstände

Es ist ein weitverbreitetes Vorurteil, daß die Verhältnisse der Gegenstände untereinander sich gerade einmal auf pauschale Urteile „ähnlich“, „gleich groß“, „genauso schwer“ oder „teurer“ beschränken. In Wirklichkeit sind die Gegenstände miteinander verwandt.
Socken haben nur Schwestern. Stühle und Tische, überhaupt alle Möbel haben hauptsächlich Vettern und Cousinen. Berüchtigt für die Kompliziertheit ihrer Verwandtschaftsverhältnisse sind die Schreibwaren, deren Verschwisterung und Verschwägerung zwischen Bleistiften verschiedener Härtegrade, Kugelschreiber unterschiedlicher Farben, harten und weichen Radiergummis selbst eifrigsten Forschern verschlossen blieben.
Eine matrilineare Abstammung haben Gartengeräte, wie man an jeder Harke und ihren hübschen Töchtern sieht. Legendär ist der verwandtschaftliche Erfindungsreichtum der Anziehsachen, da prinzipiell jede Sache drunter der Nachfahre der Sache drüber ist, außer bei Jacken, bei Schuhen, bei Socken und natürlich bei Schals und Hüten. Wenn man sich winterlich kleidet, dann ist das eine Angelegenheit, mit der im Kleiderschrank drei Großfamilien befaßt sind. Möglich ist zum Beispiel, daß Ihr linker Handschuh die Nichte ihres Wollunterhemds ist. Über Küchengeräte brauchen wir hier überhaupt nicht zu sprechen, das ist ein Sodom und ein Gomorrha. Rührschüsseln etwa sind grundsätzlich stockschwul, und Handmixer auch irgendwie pervers, beide zusammen leben sie mit den kampflesbischen Suppenlöffeln in einer Art Avunkulat.
Deshalb sollte man sich auch immer überlegen, mit welchen Gegenständen man Streit anfängt. Vielleicht haben sie einen Betonmischer als großen Bruder.

Mittwoch, 23. September 2009

Geschwister

U-Bahn. Ich denke, es sind Geschwister. Auf den ersten Blick sehen sie sich gar nicht mal ähnlich. Wenn man genauer hinschaut, sieht man, daß sie die gleiche Haut haben, als wären beide aus demselben Stück Stoff geschnitten. Sie erzählt ihm gerade etwas, und er nickt mit der beiläufigen Vertrautheit ihres lebenslangen Zusammenseins. Sie ist vielleicht 15, er ist nicht mehr als eineinhalb Jahre jünger. Sie ist besser angezogen, genauer auf den Punkt hin, denn ihm sieht man an, daß er nur das übergezogen hat, was gerade da gelegen hat. Möglicherweise verstehen sie sich jetzt wieder besser, nachdem er ihr zwei Jahre lang zu kindisch war. Die Frage, ob Geschwister sich auch ähnlich sind, weil sie sich ihre Gesten, Haltungen etc. auch gegenseitig abschauen oder nur weil sie beide Variationen ihrer Eltern sind.

Mittwoch, 16. September 2009

Hier im alten Indianerland nennt man das ein Herrenfahrrad

Einer der gefährlichsten Ohrwürmer ist „Septemberwind“ von Joe Dassin aus dem Jahr 1975 und dazu einer der lustigsten Schlager überhaupt. Etwa hier. Das „La-lala, lalala la la-lala, lalalalalaa la la lalalala” des Hintergrundchors ist im Hirn extrem schwer löschbar, allenfalls hilft es, 2-3 Bier zu trinken oder eine Piccolo. Aus dem Text:

„Weißt du noch wie es war voriges Jahr im Septemberwind?
Nie war ich so glücklich wie an diesem Morgen am Strand
Es war Herbst - und hier im alten Indianerland
Da nennt man das "Indian Summer".
Und du mit deiner sonnenbraunen Haut in deinem weißen Kleid
Sahst aus wie ein Aquarell von Marie Laurencin
Wie lange ist das her?
Ein Jahr... Hundert Jahre... Oder eine ganze Ewigkeit?“


So so, wie ein Aquarell von Marie Laurencin. Wie das aussieht, kann man hier sehen oder auch hier. Übrigens hat Howard Carpendale eine Coverversion eingesungen. Da hierzulande wohl zu wenige die gute Marie Laurencin und ihre Aquarelle kennen, singt Howard Carpendale nun:

„Und du mit deiner sonnenbraunen Haut in deinem weißen Kleid
Du sahst aus wie auf einem Foto von David Hamilton.“


Das ist aber, ehrlich gesagt,was völlig anderes. Das wäre genauso, als würde es in einem Originallied heißen „she looks like Amy Winehouse“ und dann übersetzen „sie sieht aus wie Veronica Ferres“.

(Kurze Pause für das jüngere Publikum, um David Hamilton zu fotogoogeln. La-lala, lalala la la-lala, lalalalalaa la la lalalala)

Wo ich das jetzt selber sehe: eine dieser Fotografien hat auf mich als sehr junger Mann einen großen Eindruck hinterlassen. Das war im Jugendzimmer meiner älteren Cousine Bärbel. Diese Verwandtschaft wohnte weit entfernt und deshalb besuchten wir sie nur selten. Gelangweilt hockte ich im Jugendzimmer der noch mehr gelangweilten Bärbel. Sie hatte ihre Clogs ausgezogen, so daß ich ihre Löcher in den Socken sah, auf dem Nachttisch lag ein dickes Buch mit dem Titel „Papillon“ und an der Wand hing dieses Poster. Natürlich hätte ich mir gewünscht, daß meine Cousinen genau so ausgesehen hätten und nicht wie die dicke Bärbel (ehrlich gesagt ging sie eher in die Richtung eines späten Aquarells von Marie Laurencin), aber was hat man schon von hübschen Cousinen? Eigentlich auch gar nichts. So betrachtete ich verstohlen das Poster. Für wen hatte das Fahrradmädchen wohl die Blumen gepflückt? Ich vermutete, daß sie dem Mädchen ohne Hut auf dem Rückweg begegnet war und die beiden sich jetzt einfach mal ein bißchen unterhalten, wie das Mädchen so machen. Alles Wichtige haben sie sich schon erzählt, und jetzt stehen sie einfach nur so schön rum, wie Mädchen das so können. Am meisten beeindruckte mich, daß das Mädchen mit dem Hut praktisch auf der Stange des Fahrrads saß. Auf der Mittelstange eines Herrenfahrrads! Vielleicht sind alle unsere ästhetischen Prägungen kontingent und hängen davon ab, was wir in einem ganz bestimmten, aber zufälligen Moment sehen, den wir noch nicht einmal selbst aussuchen können. Für mich war die Haltung des Mäddchens, halb auf dem Sattel, halb auf der Stange eines Herrenfahrrads, eine Geste ungeheurer Eleganz. Dann legte Bärbel eine andere Platte auf, wahrscheinlich Mona Bone Jakon.
Bis heute finde ich, daß bestimmte Fahrräder zu Frauen gut aussehen oder auch ihnen nicht stehen, als wären sie ein Accesoire wie ein Haarreif oder ein Armband. Eine Frau mit Fahrrad, das wäre dann ein optischer Ohrwurm, den man dann Augenwurm nennen müßte.

La-lala, lalala la la-lala, lalalalalaa la la lalalala.

Montag, 14. September 2009

Am Geschmack erkannt

Heute morgen, zum Sonnenaufgang, beobachtete ich, wie ein Pärchen an der Siegessäule Fotos machte. Sie hatten sich in einer Ecke an der Straße des 17. Juni aufgestellt. Sie posierte an einem Laternenmast, er kniete vor ihr und fotografierte. Sie trug nichts als einen schwarzen Ledermantel, darunter ein paar rote Dessous. Sie streckte die Arme nach hinten um die Laterne, das Knie nach vorne und guckte nach oben. Ich dachte daran, welche ästhetischen oder erotischen Maßstäbe diese Leute so haben. Das alles sah so erbärmlich und scheiße aus. Und was machen sie denn nachher mit den Fotos?

Ich stelle mir vor: Reinickendorf, Vorortsiedlung, später Nachmittag. Vor dem Haus steht ein alter Ford Scorpio, in Rotweincreme-Metallic. Ein Partykeller mit einem Kutschenrad, das als Lampenträger unter der Decke hängt. Es riecht nach lauwarmen Schultheiss und alter Couch mit braunem Cordbezug und Weinbrandflecken, auch nach Haustier, und zwar nach einem Cockerspaniel, der aber schon seit zwei Jahren blind ist. Als Musik hört man im Hintergrund ein Country-Album von Juliane Werding. Er hat eine Aufziehleinwand in der Ecke aufgestellt, den Diaprojektor auf die Theke gestellt und klickt mit der Fernbedienung probeweise die Dias durch. „Berlin – Erotische Impressionen“ hat er es genannt. Super, daß Carola es so toll durchgezogen hat.

Der Cockerspaniel heißt Kessy.

Freitag, 11. September 2009

i-Mützen

Vor einer Woche liefen hier überall kleine Wesen mit gelben Mützen durch die Stadt. Das war nicht die Invasion vom Gelbmützenplaneten, sondern Einschulung. Ich finde es rührend, daß es immer noch, wie ganz früher, diese gelben Einschulungsmützen gibt. Meine eigene Mütze habe ich leider verloren, schon seit langem. Vielleicht kann mir jemand da draußen im Internet helfen? Ich suche eine Kappe mit Schirm, sie ist eher orange als gelb und vorne drauf ist ein grünes Logo der Deutschen Verkehrswacht. Mein Name ist innen auf dem unteren Mützenrand mit Kugelschreiber geschrieben, das mußten am ersten Tag alle Mütter machen. In der ersten Woche bin ich immer mit dieser Mütze in die Schule gegangen. Dann stellte ich allerdings fest, daß ich der Einzige war, der sie noch trug. Es war offenbar uncool geworden. Und obwohl ich nicht wußte, was uncool überhaupt ist, geschweige jemals das Wort gehört hatte, weigerte ich mich fortan, die gelbe Mütze aufzusetzen. Nach einigen Diskussionen durfte ich mützenfrei in die Schule. Anschließen verliert sich dann langsam die Spur meiner gelben Mütze mit meinem Namen im Mützeninnenrand.

Jetzt habe ich einmal nachgeschaut, woher das Wort i-Männchen kommt. Es ist so, daß man früher als ersten Buchstaben das „i“ gelernt hat. Das wurde dann in Fibeln illustriert mit einem kleinen Jungen, der eine Tafel mit einem „i“ hochgehalten hat. Das ist das i-Männchen. Das stimmt auch mit dem i, und ich kann mich sogar noch an den zweiten Buchstaben erinnern, das war das „u“. Nachdem wir i und u durchgenommen hatten, schritt Frau Gerling zum ersten Diktat meines Lebens, das ich tatsächlich noch vollständig wiedergeben kann: i u ui. Diese recht überschaubare Herausforderung meisterte ich mit 0 Fehlern. Da ich „0 Fehler“ noch nicht lesen konnte, malte Frau Gerling unter das Diktat ein lächelndes Gesicht. Andreas Hoppe neben mir hatte allerdings einen Fehler und deshalb ein ernstes Gesicht von Frau Gerling. Es sollte nicht das letzte ernste Gesicht sein, dem Andreas Hoppe auf seinem Weg begegnete. Das ist allerdings kein Grund, sich hochnäsig als 0-Fehler-i-u-ui-Streber über andere zu erheben. Andreas Hoppe machte einen anständigen Realschulabschluß und ging dann ins Türengewerbe. Heute ist er der Türenmagnat von Westdeutschland und dürfte 10mal, nein, 50mal reicher sein als ich. Wir ahnten damals beide nicht, daß sich an jenem Tag unser Weg gabelt: 0 Fehler – armer Streber, 1 Fehler – Türenkönig (Er heißt natürlich nicht Andreas Hoppe. Wenn jemand eine i-Männchen-Mütze findet, in der „Andreas Hoppe, 1a“ im Innenrand steht, ja, dann wäre ich echt verblüfft. Oder es ist eine Fälschung).

Der Begriff i-Männchen stirbt heute aus, da es politically wegen der Damen nicht korrekt ist. Obwohl es ja i-Mädchen geben könnte (nicht: iih-Mädchen), zusammengefaßt hieße das dann: i-Männchen und –Mädchen. Das wäre ein ganz guter Name für eine Gothic-Punk-Band. Was ich jetzt allerdings nicht weiß: lernen die i-Männchen und –Mädchen heute noch immer zu allererst das i oder wie läuft das jetzt? Und, verdammt noch mal, wo ist meine gelbe Mütze?

Donnerstag, 10. September 2009

Nebel ist eine faule Wolke

Heute morgen in Berlin gibt es eine zarte, leichte Andeutung von Nebel. Ein wenig Dunst hängt an den höchsten Stockwerken der Hochhäuser. Der Fernsehturm am Alexanderplatz sticht von unten in eine große leichte Watte. Nebel ist in Berlin selten. Eigentlich schade, denn vermutlich wäre die Stadt mit mehr Nebel um einiges glücklicher. Der Nebel wirkt beruhigend auf das Gemüt. Nebel dämpft die Lautstärke der Stadt. Nebel macht es draußen unheimlich und drinnen gemütlich, und er ist sogar kostenlos. Außerdem wäre positiv, daß im Nebel sich weniger Berliner gegenseitig sehen könnten. Und den Berliner Lyrikern würde an einem Nebeltag viel mehr einfallen, sogar mit Reim.

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Zuletzt aktualisiert: 15. Jul, 02:09

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